DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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ERSTES KAPITEL
Einfluss der Geister auf die Materie



52. Nachdem die materialistische Meinung beseitigt und gleichzeitig von der Vernunft und durch die Tatsachen verworfen ist, kann alles zu der Frage zusammengefasst werden, ob die Seele sich nach dem Tod den Lebenden offenbaren kann. Eine Frage, die auf diese Art am einfachsten zum Ausdruck gebracht wird, wird auch sehr einfach beantwortet. Man könnte zuvor fragen, warum die intelligenten Wesen, die gewissermassen in unserer Mitte leben, obwohl ihrer Natur nach unsichtbar, nicht imstande wären, ihr Dasein auf irgendeine Weise zu erkennen zu geben? Die einfache Vernunft sagt uns, dass dies nichts Unmögliches ist. Dieser Glaube ist übrigens bei allen Völkern verbreitet, denn man findet ihn überall und zu allen Zeiten. Nun denn, eine solche Meinung wäre nicht so allgemein und würde sich mit der Zeit nicht ausbreiten, wenn sie nicht auf etwas anerkannt Wahrem beruhen würde. Sie ist am meisten verbürgt durch die Zeugnisse der heiligen Bücher und der Kirchenväter, und es bedürfe des Skeptizismus und des Materialismus unseres Jahrhunderts, um sie als Aber glauben abzutun. Wenn wir einem Irrtum unterliegen, so auch diese Autoritäten.

Allein das sind hier nur moralische Betrachtungen. Eine Ursache hat vor allem den Zweifel zu einer realistischen Zeit bestärkt, wie die unsere, wo man darauf besteht, sich von allem Rechenschaft abzulegen, wo man das Warum und das Wie von allem wissen will, nämlich die Unwissenheit über die Natur der Geister und der Mittel, wodurch sie sich uns offenbaren können. Wenn man diese Kenntnis erlangt, hat das Stattfinden der Manifestationen nichts Übernatürliches an sich, und tritt in die natürliche Ordnung der Dinge zurück.

53. Die Vorstellung, die man sich von den Geistern macht, lässt uns die Erscheinung der Manifestationen zunächst nicht begreifen. Diese können nur stattfinden durch die Einwirkung des Geistes auf die Materie. Das ist der Grund, warum diejenigen, welche da glauben, der Geist sei durchaus nicht materiell, sich mit einem gewissen Anschein von Vernunft fragen, wie er denn da materiell handeln könne? Nun denn, da liegt der Fehler; denn der Geist ist keine Abstraktion, er ist ein bestimmtes, begrenztes und umschriebenes Wesen. Der in einem Körper inkarnierte Geist bildet die Seele. Wenn er ihn beim Tod verlässt, so verlässt er ihn nicht ganz ohne Hülle. Alle sagen uns, dass sie menschliche Gestalt beibehalten und in der Tat, wenn sie uns erscheinen, dann in jener Gestalt, unter der wir sie gekannt haben.

Beobachten wir sie aufmerksam in dem Moment, wo sie soeben das Leben verließen, so sind sie in einem Zustand der Verwirrung; alles um sie her ist verworren, sie sehen ihren Körper gesund oder verstümmelt, je nach ihrer Todesart, andererseits fühlen sie sich lebend; etwas sagt ihnen, dass dieser Körper der ihrige ist und sie begreifen es nicht, wie sie von ihm getrennt sind. Sie fahren fort, sich in ihrer vorigen Gestalt zu betrachten, und diese Anschauung bringt bei einigen eine Zeit lang eine sonderbare Täuschung hervor, nämlich sich noch für lebend zu halten. Sie benötigen die andauernde Erfahrung ihres neuen Zustandes, um sich von dessen Wirklichkeit zu überzeugen. Ist einmal dieser erste Zeitpunkt der Verwirrung vorüber, so wird der Körper für sie ein altes Kleid, das sie ausgezogen haben und nicht bedauern; sie fühlen sich viel leichter, wie von einer Last befreit, sie empfinden die physischen Schmerzen nicht mehr, und sind ganz glücklich, sich erheben und den Raum durcheilen zu können, so wie sie es in ihrem Leben mehrmals in ihren Träumen getan haben.*


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* Anmerkung von Allan Kardec: Wenn man sich an all das erinnert, was wir im Buch der Geister über die Träume und den Zustand des Geistes während des Traumes gesagt haben (Nr.400-418), so wird man begreifen, dass diese Träume, die fast ein jeder gehabt hat, indem man sich durch den Raum wie ihm Flug getragen sieht, nichts anderes sind, als die Erinnerung als ein vom Geist erprobtes Gefühl, wie er während des Schlafes zeitweise seinen Körper verließ, nichts anderes mit sich nehmend, als einen fluidischen Leib, jenen nämlich, den er nach dem Tod haben wird. Diese Träume können uns also einen Begriff vom Zustand des Geistes geben, wenn er von den Fesseln befreit ist, welche ihn an diese Erde binden.


Aber selbst ohne Körper behalten sie ihre Persönlichkeit. Sie haben eine Form, welche sie weder drückt noch behindert; sie haben das Bewusstsein ihrer selbst und ihrer Individualität. Was sollen wir daraus schließen? Dass die Seele nicht alles im Grab lässt und dass sie etwas mit sich nimmt.

54. Zahlreiche Beobachtungen und unbestreitbare Tatsachen, von denen wir später reden werden, haben zu den folgenden Grundsätzen geführt, dass es nämlich im Menschen drei Dinge gibt:

1) Die Seele oder den Geist, ein intelligentes Prinzip, in welchem der moralische Sinn wohnt.

2) Den Körper, eine grobe materielle Hülle, mit der er zeitweilig bekleidet ist, um gewisse ihm von der Vorsehung zugeteilte Aufgaben zu erfüllen.

3) Den Perispirit, eine fluidische Hülle, halb materiell, welche das Band zwischen Seele und Körper bildet. Der Tod ist die Zerstörung oder besser gesagt, die Trennung der groben Hülle, jener nämlich, welche von der Seele verlassen wird, die andere befreit sich davon und folgt der Seele, die auf diese Art immer eine Hülle ist. Diese letztere Hülle, obwohl fluidisch, ätherisch, dunstartig, für uns in ihrem normalen Zustand unsichtbar, besteht aber dennoch aus der Materie, obgleich wir sie bisher nicht haben fassen können, um sie zu zergliedern. Diese zweite Seelenhülle oder Perispirit besteht also während des körperlichen Lebens; sie ist der Vermittler von allen Gefühlen, welche der Geist empfängt, sie ist es, durch welche der Geist seinen Willen nach außen kundgibt und auf die Organe einwirkt. Um uns eines materiellen Vergleiches zu bedienen, sie ist der elektrische Draht, der Leiter, der zur Aufnahme und Übertragung des Gedankens dient; sie ist das unsichtbare, geheimnisvolle Agent, bekannt unter dem Namen von Nervenhaushalt-Fluidum, das eine so große Rolle im Körper spielt, und dem man bei den physiologischen und pathologischen Erscheinungen zu wenig Rechnung trägt.

Die Medizin, welche nur das wägbare, materielle Element beachtet, beraubt sich bei der Abschätzung der Tatsachen einer beständigen Ursache. Aber hier ist nicht der Ort, diese Frage zu behandeln; wir machen nur darauf aufmerksam, dass die Kenntnis des Perispirits den Schlüssel zu einer Menge bisher noch nicht gelöster Probleme liefert.

Der Perispirit ist keine Hypothese, zu der man bisweilen in der Wissenschaft seine Zuflucht nimmt, um eine Tatsache zu erklären; sein Bestehen ist nicht nur durch die Geister enthüllt, es ist das Resultat von Beobachtungen. Für jetzt, und um nicht vorzugreifen, beschränken wir uns darauf, zu sagen, dass die Seele nie vom Perispirit getrennt ist, sei es während der Verbindung mit dem Körper oder nach seiner Trennung von ihm.

55. Man hat gesagt, der Geist sei eine Flamme, ein Funke. Dies muss man auf den Geist im eigentlichen Sinn beziehen als das intelligente und moralische Prinzip, dem man keine bestimmte Form beimessen kann; aber auf welcher Stufe er sich auch befinden mag, er ist immer mit einer Hülle oder einem Perispirit bekleidet, dessen Natur sich ätherisiert, je nach seiner Reinigung, so dass für uns der Begriff der Form von jenem des Geistes unzertrennlich ist und dass wir das eine ohne das andere nicht begreifen. Der Perispirit bildet daher einen unerlässlichen Bestandteil des Geistes, so wie der Körper einen unerlässlichen Teil des Menschen bildet; aber der Perispirit allein ist ebenso wenig der Geist, wie der Körper allein nicht der Mensch ist; denn der Perispirit denkt nicht, er ist für den Geist das, was der Körper für den Menschen ist: er ist das Agen oder das Werkzeug für sein Handeln.

56. Die Gestalt des Perispirits ist die menschliche Gestalt, und wenn ein Geist sich uns zeigt, so hat er im Allgemeinen jene Gestalt, unter welcher wir ihn im Leben gekannt haben. Man könnte hiernach glauben, dass der Perispirit, wenn er von allen Teilen des Körpers befreit ist, sich in einer gewissen Art nach demselben bildet und den Ausdruck davon behält; aber es scheint nicht so zu sein. Die menschliche Gestalt im Detail und abgesehen von den organischen Unterschieden, die für die Umgebung, in dem das Wesen zu leben berufen ist, notwendig sind, findet sich in Nuancen bei den Bewohnern aller Himmelskörper. Das wenigstens sagen die Geister. Sie ist auch die Form aller Geister, die nicht inkarniert sind und nur ihren Perispirit haben. Es ist die, unter welcher man zu allen Zeiten die Engel oder reinen Geister dargestellt hat. Daraus müssen wir schließen, dass die menschliche Gestalt die Grundform aller menschlichen Wesen ist, welchem Grade sie auch immer angehören mögen. Aber die feine Materie des Perispirits hat weder die Zähigkeit, noch die Grobheit der kompakten körperlichen Materie; sie ist, wenn wir uns so ausdrücken können, biegsam und dehnbar; deshalb ist die Form, die sie annimmt, obwohl jener des Körpers nachgebildet, nicht beständig, sie fügt sich dem Willen des Geistes, welcher ihr diese oder jene Form nach seinem Belieben geben kann, während ihr eine feste Hülle ein unüberwindliches Hindernis sein würde.

Befreit von diesen Fesseln, welche sie drückten, dehnt sich die Geisterhülle aus oder zieht sich zusammen, bildet sich also um; mit einem Wort fügt sich in die Metamorphosen nach dem Willen ihres Geistes. Infolge dieser Eigenschaft seiner fluidischen Hülle kann der Geist, welcher sich zu erkennen geben will, wenn es notwendig ist, dieselbe Gestalt annehmen welche er im Leben hatte und selbst die Spuren körperlicher Male aufweisen, welche Anzeichen des Wiedererkennens sein können. Die Geister sind, wie man sieht, Wesen unseresgleichen, die in ihrem normalen Zustand eine ganze unsichtbare Bevölkerung um uns bilden. Wir sagen: im normalen Zustand, weil diese Unsichtbarkeit, wie wir sehen werden, keine unumschränkte ist.

57. Kehren wir zum Wesen des Perispirits zurück, denn das ist sehr wesentlich für die Aufklärung, welche wir zu geben haben. Wir haben gesagt, dass sie, obwohl fluidisch, dennoch eine Art Materie ist. Dieses geht aus den gesehenen, sichtbaren Erscheinungen hervor, auf die wir zurückkommen werden. Man hat unter Vermittlung von gewissen Medien Hände erscheinen gesehen, welche dieselben Eigenschaften wie lebendige Hände hatten, die Wärme besassen, die man betasten konnte, die einen Widerstand darboten, wie ein fester Körper und die plötzlich wie ein Schatten verschwanden. Die intelligente Handlung dieser Hände, welche offenbar einem Willen folgten, indem sie gewisse Bewegungen ausführten, da sie sogar auf einem Instrument spielten, beweist, dass sie ein sichtbarer Teil eines unsichtbaren, intelligenten Wesens sind. Ihre Fühlbarkeit, ihre Wärme, mit einem Wort der Eindruck, den sie auf unsere Sinne machten, weil man von ihnen zurückgelassene Spuren auf der Haut, schmerzhafte Schläge und zärtliches Liebkosen gesehen hat, beweisen, dass sie denn doch etwas Reales sind. Ihr augenblickliches Verschwinden beweist überdies, dass diese Materie außerordentlich fein ist, und dass es sich mit ihr so verhält, wie mit gewissen Substanzen, die abwechselnd aus einem festen in einen flüssigen Zustand und umgekehrt übergehen können.

58. Das innere Wesen des so genannten Geistes, das heißt des denkenden Wesens, ist uns gänzlich unbekannt, er offenbart sich uns nur durch seine Handlungen, und seine Handlungen können unsere materiellen Sinne nur mittels eines materiellen Vermittlers erreichen. Der Geist benötigt daher die Materie, um auf sie einwirken zu können. Er hat zum unmittelbaren Werkzeug seinen Perispirit, so wie der Mensch den Körper hat. Nun also, sein Perispirit ist materiell, wie wir eben gesehen haben. Er hat zum vermittelnden Agens das allgemeine Fluid, auf das er ebenso einwirkt, wie wir auf die Luft einwirken, um gewisse Wirkungen vermittels der Ausdehnung, der Zusammenziehung, des Stoßes oder vermittels der Schwingungen zu erzeugen.

So gesehen ist der Einfluss des Geistes auf die Materie leicht zu begreifen. Daher begreift man, dass alle Effekte, die daraus entspringen, in die natürliche Ordnung der Dinge eintreten, und dass sie nichts Übernatürliches an sich haben. Sie haben nur darum für übernatürlich gegolten, weil man die Ursache nicht kannte; als sie einmal bekannt war, verlor sich das Übernatrüliche, und diese Ursache ist ausschließlich in der halbmateriellen Beschaffenheit des Perispirits begründet. Diese neue Ordnung der Dinge findet sich eben durch ein neues Gesetz erklärt, vor dem man in kurzer Zeit ebenso wenig zurückschrecken wird, wie man davor zurück bebt, in wenigen Minuten auf weite Entfernungen mittels der Elektrizität Antwort zu geben.

59. Man wird sich vielleicht fragen, wie der Geist mit Hilfe einer so subtilen Materie auf schwere und kompakte Körper einwirken könne, wie Tische heben könne usw. Gewiss, das wäre aber kein Mann der Wissenschaft, der eine solche Frage aufwerfen würde, denn ohne von den unbekannten Eigenschaften zu reden, die dieses unbekannte Agens haben kann, haben wir nicht vor unseren Augen analoge Beispiele? Sind es nicht die verdünsteten Gase, die unwägbaren Fluida, worin die Industrie ihre mächtigsten Hebel findet? Wenn man sieht, wie die Luft Häuser umwirft, Dampf enorme Lasten fortschleppt, vergastes Pulver Felsen hebt, Elektrizität die Bäume bricht und Mauern durchdringt, was ist denn Befremdendes darin, zuzugeben, dass ein Geist vermittels des Perispirits einen Tisch heben kann, besonders, wenn man weiß, dass dieser Perispirit sichtbar und fühlbar werden und sich gleich einem festen Körper benehmen kann?