DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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DRITTES KAPITEL
Methode



18. Ein ganz natürliches und sehr löbliches Begehren eines jeden Anhängers des Spiritismus, welches man nicht genug unterstützen kann, ist das: Proselyten (Neubekehrte) zu machen, Gesinnungsgenossen zu gewinnen. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern und ihnen unnötigen Aufwand zu ersparen, haben wir uns vorgenommen für sie den sichersten Weg herauszufinden.

Wir haben gesagt, der Spiritismus sei für sich eine ganze Wissenschaft, eine ganze Philosophie. Derjenige also, welcher denselben allen Ernstes kennen lernen will, muss sich daher als erste Bedingung einem ernsten Studium unterziehen und überzeugt sein, dass er diese Wissenschaft ebenso wenig wie eine andere spielend erlernen kann. Der Spiritismus berührt, wie wir es bereits gesagt haben, alle Fragen, welche die Menschheit interessieren; sein Feld ist unermesslich, und man muss ihn vor allem aus dem Standpunkt seiner Konsequenzen betrachten.

Der Glaube an die Geister bildet ohne Zweifel seine Grundlage; allein er genügt nicht, um einen aufgeklärten Spiritisten zu bilden, ebenso wenig, als der Glaube an Gott genügend ist, um einen Theologen zu machen. Lasst uns daher untersuchen, auf welche Art man am sichersten bei diesem Unterricht zum Ziele gelangen kann.

Lasst euch, Anhänger des Spiritismus durch das Wort: „Unterricht“ nicht abschrecken, es ist kein Unterricht von einer erhöhten Lehrkanzel oder Tribüne; eine einfache Konversation ist schon ein Unterricht. Jedermann, der bemüht ist, einen anderen zu überzeugen, sei es auf dem Wege der Belehrung, oder auf jenem der Experimente, gibt Unterricht. Unser Wunsch geht dahin, dass unsere Mühe nicht ohne Früchte sei, das ist der Grund, warum einige Anhaltspunkte gegeben werden müssen, die auch jenen zustattenkommen, die sich selbst unterrichten wollen; sie werden darin das Mittel finden, viel sicherer und viel schneller zum Ziel zu gelangen.

19. Man glaubt allgemein, dass es zur Überzeugung genügt, auf Tatsachen zu weisen. Das scheint in der Tat der richtige Weg zu sein; und doch lehrt uns die Erfahrung, dass dies nicht immer der beste Weg sei, denn man trifft oft Personen, welche sich selbst durch die offenkundigsten Tatsachen nicht überzeugen lassen. Wovon hängt das ab? Das ist es eben, was wir nun näher betrachten wollen.

Im Spiritismus ist die Frage nach Geistwesen eine Nebenfrage und eine Folgerung. Es ist genau dieser Fehler der vielen Anhängern des Spiritismus unterläuft, und gewisse Personen zum Scheitern bringt. Da Geistwesen nichts anderes sind, als die Seelen der Menschen, so ist der wahre Punkt der Diskussion das Dasein der Seele. Nun denn, wie kann der Materialist zugeben, dass es Wesen gibt, die außer der materiellen Welt leben, wenn er glaubt, dass er selbst nichts anderes ist, als Materie? Wie kann er glauben, dass es um ihn herum Geister gibt, wenn er nicht glaubt, dass er selbst einen besitzt? Umsonst würde man vor seinen Augen die greifbarsten Beweise anhäufen er wird alle bestreiten, weil er doch das Prinzip nicht anerkennt.

Jeder methodische Unterricht muss von dem Bekannten zum Unbekannten schreiten. Für den Materialisten ist das Be kannte die Materie; geht daher von der Materie aus, und trachtet ihn bei ihrer Beobachtung zu überzeugen, dass in ihr etwas bestehe, das sich den Gesetzen der Materie entzieht; mit einem Wort, bevor ihr ihn zum Spiritisten macht, trachtet ihn zuvor zum Spiritualisten zu machen. Aber da gibt es eine andere Ordnung der Dinge, eine ganz besondere Belehrung, wozu man durch andere Mittel schreiten muss. Ihm von Geistern zu reden, bevor man ihn überzeugt hat, dass er eine Seele habe, hieße dort anfangen, wo man enden sollte; denn er kann die Schlussfolgerung nicht zugeben, wenn er die Grundlage nicht zulässt. Bevor man es daher übernimmt, einen Ungläubigen zu überzeugen, wäre es auch durch Tatsachen, ist es nötig, seine Meinung in Bezug auf die Seele zu kennen, das heißt, ob er auch an seine Weiterexistenz, an ein Überleben des Körpers, an seine Individualität nach seinem Tode glaubt. Wenn seine Antwort verneinend ist, so wäre es eine vergebliche Mühe, mit ihm von Geistwesen zu reden. Das ist die Regel. Wir behaupten nicht, dass sie keine Ausnahme zulasse, aber dann gibt es wahrscheinlich etwas anderes, was ihn weniger widerspenstig macht.

20. Unter den Materialisten muss man zwei Klassen unterscheiden. In die erste Klasse reihen wir diejenigen, welche es aus ab Prinzip sind; bei diesen besteht kein Zweifel, es ist ein völliges leugnen, dass sie auf ihre Art verteidigen. In ihren Augen ist der Mensch nichts als eine Maschine, die nur solange geht, als sie aufgezogen ist, die sich abnützt, und von der nach dem Tode nichts anderes übrig bleibt, als das Gerippe. Ihre Anzahl ist zum Glück sehr eingeschränkt und bildet nirgends eine anerkannte Schule. Wir haben nicht nötig, uns auf die beklagenswerten Folgen zu berufen, die für die menschliche Ordnung durch die Verbreitung einer solchen Lehre erwachsen würde. Wir haben uns hinlänglich über diesen Gegenstand im Buch der Geister geäußert. (Nr. 117, Schlussfolgerung § III)

Wenn wir gesagt haben, dass der Zweifel bei den Ungläubigen in Anbetracht einer vernünftigen Erklärung verschwindet, so muss man davon die Materialisten ausnehmen, besonders jene, die alle Kraft und das ganze intelligente Prinzip außerhalb der Materie wegleugnen. Die meisten beharren auf ihrer Meinung aus Stolz; sie glauben aus Selbstliebe dabei beharren zu müssen; sie verbleiben dabei trotz und gegen alle Beweise des Gegenteils, weil sie nicht unterliegen wollen. Mit solchen Leuten ist nichts zu tun. Man darf sich nicht einmal durch die Ehrlichkeit derer täuschen lassen, welche sagen: „Lasst mich sehen, und ich werde glauben.“ Es gibt auch solche, die viel weiter gehen und sagen: „Ich werde sehen und dennoch nicht glauben.“

21. Die zweite Klasse der Materialisten, und zwar die viel zahlreichere, denn der wahre Materialismus ist eine widernatürliche Denkart, umfasst jene, die es aus Gleichgültigkeit sind und man kann sagen, aus Mangel des Besseren; sie sind es nicht aus überlegtem Vorsatz, und wünschen nichts sehnlicher als zu glauben, denn die Unwissenheit ist für sie eine Qual. Sie besitzen eine ungewisse Ahnung der Zukunft, aber diese Zukunft ist ihnen mit solchen Farben geschildert worden, die ihre Vernunft nicht annehmen kann; daher stammt ihr Zweifel und als Folge ihre Ungläubigkeit. Bei diesen ist ihr Unglaube nicht systemmäßig. Bietet ihnen daher etwas Vernünftiges an, und sie werden es mit Eifer annehmen. Diese können es auch begreifen, denn sie sind uns viel näher, als sie es ohne Zweifel selbst glauben. Mit den ersteren redet nie von der Offenbarung, nie von den Engeln, nie von dem Paradies, sie würden es nicht verstehen, sondern versetzt euch in ihre Lage und beweist ihnen anfangs, dass die Gesetze der Physiologie nicht alles zu erklären vermögen, das andere kommt dann von selbst. Ganz anders verhält sich die Sache, wenn der Unglaube nicht ein vorsätzlicher ist, denn dann ist der Glaube nicht absolut null, er ist ein durch Unkraut erstickter Keim, den aber ein Funkewieder beleben kann; es ist ein blinder, dem man sein Augenlicht wieder gibt und der sich glücklich schätzt, das Licht wieder zu sehen; es ist ein Schiffbrüchiger, dem man ein Rettungsseil vorhält.

22. An der Seite der so genannten Materialisten gibt es eine dritte Klasse von Ungläubigen, die dem Namen nach zwar Spiritualisten, aber dennoch sehr widerspenstig sind. Das sind die Ungläubigen aus bösem Willen. Diese weigern sich zu glauben, denn dieses würde ihre Ruhe bei dem Genuss der materiellen Freuden trüben. Sie fürchten darin die Verdammung ihres Ehrgeizes, ihres Egoismus und ihrer menschlichen Schwächen zu finden, solange diese ihr Vergnügen bilden. Sie schließen ihre Augen, um nicht zu sehen, und verstopfen ihre Ohren, um nicht zu hören. Diese muss man nur bedauern.

23. Wir werden nun zur Erinnerung von einer vierten Kategorie reden, welche wir die eigennützigen Ungläubigen, oder böswillige Ungläubige nennen wollen. Diese wissen recht wohl, was sie vom Spiritismus zu halten haben; aber sie verdammen ihn augenscheinlich aus Gründen des eigenen Interesses. Über diesen ist nichts zu sagen, weil mit ihnen nichts anzufangen ist. Wenn sich die überzeugte Materialist offenbar irrt, so hat er doch für sich die Entschuldigung des ”vermeintlichen“ guten Glaubens; man kann ihn gewinnen, indem man ihm seinen Irrtum beweist. Die eigennützigen Ungläubigen sind mit einer Beharrlichkeit behaftet, die alle Beweisgründe scheitern lassen. Die Zeit wird ihnen die Augen öffnen, und ihnen zeigen, vielleicht zu ihrem Schaden wo ihr wahres Interesse gelegen ist. Denn da sie die Verbreitung der Wahrheit nicht behindern können, werden sie von dem Strom hingerissen werden, und mit ihnen die Vorteile, welche sie zu beschützen glaubten.

24. Außer diesen verschiedenen Gattungen von Widersachern gibt es eine unzählige Menge Unterschiede, zu denen man die Ungläubigen aus Kleinmut rechnen kann. Der Mut wird ihnen kommen, wenn sie sehen, dass sich die anderen nicht verbrennen. Die Ungläubigen aus religiösem Skrupel: Ein aufgeklärter Unterricht wird sie belehren, dass sich der Spiritismus nur auf die religiösen Grundlagen stützt, und dass er einen jeden Glauben beachtet, dass es zu seinem Wirken gehört, jenen religiöse Gefühle auszulösen, die keine haben, dieselben bei jenen zu bestärken, bei denen sie nur schwankend sind. Dann gibt es Ungläubige aus Hochmut, aus Widerspruchsgeist, aus Gleichgültigkeit, aus Leichtsinn etc.

25. Wir können hier eine Gattung nicht weglassen, wir nennen sie die Ungläubigen aus Enttäuschung. Es sind jene Personen, die von einem übertriebenen Glauben zum Unglauben übergingen, weil sie Verachtung erfahren haben, und hierdurch entmutigt, alles verlassen und verworfen haben. Sie sind dem gleich, der den guten Glauben leugnet, weil er getäuscht worden ist. Das ist überdies die Folge eines nicht vollständigen Studiums des Spiritismus und Mangel an Erfahrung. Wenn jemand von Geistwesen mystifiziert worden ist, so ist es hauptsächlich darum, weil er sie über das befragte, was sie nicht sagen dürfen und nicht sagen können, oder weil er über den Gegenstand nicht genug aufgeklärt ist, um die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Übrigens sehen viele im Spiritismus nur ein neues Mittel zur Wahrsagerei und glauben, Geistwesen seien dazu da, um uns das Glück vorauszusagen. Nun denn, leichtfertige- und Spottgeister machen sich nichts daraus, sich auf diesen Leuten Kosten ein Spass zu machen. So kündigen sie den jungen Mädchen ihre Ehemänner, den Ehrgeizigen Ehrungen, Erbschaften, verborgene Schätze etc. an. Daraus folgen oft die Enttäuschungen, vor denen sich ein ernster und kluger Mensch stets zu wahren versteht.

26. Eine sehr zahlreiche Klasse, die zahlreichste von allen, die man aber unter die Widersachern nicht einreihen kann, ist die der Unschlüssigen. Sie sind im Allgemeinen grundsätzlich Spiritualisten, bei mehreren ist eine unbestimmte Ahnung der spiritistischen Ideen, ein Vorgefühl für eine Sache, die sie nicht genau erklären können, sie müssten nur ihre Gedanken ordnen und formulieren. Der Spiritismus ist für sie ein Lichtstrahl, ein Licht, das den Nebel verscheucht; auch nehmen sie ihn mit Eifer an, denn er befreit sie von der Angst der Unwissenheit.

27. Wenn wir von da aus unsere Augen auf die verschiedenen Kategorien der Gläubigen werfen, so finden wir zuerst Spiritisten, die davon nichts wissen. Genau genommen, handelt es sich um eine Unterart oder Unterteilung der vorhergehenden Klasse. Ohne von der spiritistischen Lehre je gehört zu haben, besitzen sie ein angeborenes Gefühl für die bedeutenden Grundsätzen. Dieses Gefühl macht sich in einigen Zügen ihrer Schriften und ihrer Reden geltend und zwar so lebhaft, dass man sie, wenn man sie hört, für vollkommen Eingeweihte halten möchte.

Man findet deren eine zahlreiche Menge unter den heiligen und weltlichen Schriftstellern, unter den Dichtern, Rednern, Moralisten und Philosophen der alten und neuen Zeit.

28. Unter denen, welche ein direktes Studium der Geisterlehre zur Überzeugung gebracht hat, kann man unterscheiden:
1) Solche die einzig und allein an die Manifestationen glauben. Für sie ist der Spiritismus eine Erfahrungswissenschaft, eine Reihe von mehr oder weniger merkwürdigen Tatsachen. Wir werden sie Erfahrungs-Spiritisten nennen.
2) Solche, die im Spiritismus etwas anderes als Tatsachen erblicken; sie begreifen seinen philosophischen Teil, sie bewundern die Moral, die daraus entspringt, aber sie befolgen sie nicht. Sein Einfluss auf ihren Charakter ist unbedeutend oder null; sie ändern nichts an ihren Gebräuchen und sie würden sich nicht einen einzigen Genuss versagen. Der Habsüchtige bleibt immer ein Knauser, der Hochmütige stets aufgebläht, der Neidische und der Eifersüchtige immer feindselig. Für solche ist die christliche Nächstenliebe nur eine schöne Maxime; das sind unvollkommene Spiritisten.
3) Solche, die sich nicht damit begnügen, die spiritistische Moral zu bewundern, sondern die sich danach richten, und alle Folgesätze desselben annehmen. In der Überzeugung, dass das irdische Dasein eine vorübergehende Prüfung sei, bemühen sie sich, diese kurze Zeit dazu zu benützen, um auf dem Weg des Fortschritts zu gehen, der sie allein in der Hierarchie der Geisterwelt zu erheben vermag, indem sie danach streben, das Gute zu tun und ihre schlechten Neigungen zu unterbinden. In ihrer Beziehungen sind sie stets verlässlich, denn ihre Überzeugung entfernt sie von einem jeden bösen Gedanken. Die Nächstenliebe ist in allen Dingen ihre Lebensregel, das sind die wahren Spiritisten oder vielmehr christliche Spiritisten.
4) Letztendlich gibt es die exaltierten Spiritisten. Das menschliche Geschlecht würde vollkommen sein, wenn es die Dinge von der guten Seite nehmen würde. Die Übertreibung ist in allem schädlich. Im Spiritismus erzeugt sie ein blindes und kindisches Vertrauen Bezüglich der unsichtbaren Welt und lässt uns zu leicht und ohne Kontrolle das annehmen, was das Nachdenken und die Untersuchung als abgeschmackt oder unmöglich dartun würde. Aber der Enthusiasmus überlegt nicht, er verblendet. Solche Anhänger sind dem Spiritismus mehr schädlich als nützlich; diese sind am allerwenigsten geeignet zu überzeugen, weil man ihrem Urteil mit Recht misstraut; dank ihrer Gutwilligkeit sind sie ein Spielball bald der Spottgeister, bald von Menschen, die ihre Leichtgläubigkeit auszubeuten suchen. Wenn sie allein die Folgen tragen müssten, so wäre das Übel halb so groß. Das Schlimme dabei ist, dass sie ohne es zu wollen, den Ungläubigen die Waffen geben, die nur eine Gelegenheit suchen, um zu spotten, statt sich zu überzeugen, und es nicht unterlassen können, das Lächerliche einiger allen anderen zuzuschreiben. Das ist ohne Zweifel weder gerecht noch vernünftig; aber man weiß, dass die Gegner des Spiritismus nur ihre Ansicht gelten lassen; das gründlich zu kennen, wovon sie reden, das ist ihre geringste Sorge.

29. Die Mittel zur Überzeugung sind außerordentlich verschieden, dies je nach dem Individuum. Das, was den einen überzeugt, hat keine Wirkung bei einem anderen. Dieser ist durch gewisse materielle Manifestationen überzeugt, jener durch verständige Mitteilungen; die größte Anzahl aber durch Vernunftschlüsse. Wir können selbst sagen, dass für die meisten von denen, die nicht durch Belehrung vorbereitet sind, die materiellen Erscheinungen von wenig Gewicht sind. Je ungewöhnlicher diese Phänomene sind, je mehr sie sich von den gewöhnlichen Erscheinungen entfernen, desto mehr Widerstand finden sie, und dies aus einer einfachen Ursache; nämlich weil man natürlich geneigt ist, eine Sache zu bezweifeln, die der Billigung der Vernunft entbehrt; ein jeder sieht sie von seinem besonderen Gesichtspunkte an, und erklärt sich’s auf seine eigene Art. Der Materialist sieht darin eine rein physische Sache oder einen Betrug; der Unwissende und Abergläubische eine teuflische oder übernatürliche Sache, während eine vorausgehende Belehrung folgerecht die vorgefassten Meinungen zerstört, und wenn nicht die Wirklichkeit, so doch die Möglichkeit der Sache nachweist. Man begreift sie, bevor man sie gesehen hat. Sobald aber die Möglichkeit anerkannt ist, so ist schon drei Viertel der Überzeugung bewerkstelligt.

30. Ist es nutzbringend, einen erpichten Ungläubigen überzeugen zu wollen? Wir haben schon gesagt, das hängt von der Ursache und von der Beschaffenheit seines Unglaubens ab. Gar oft lässt ihn der Eifer, mit dem man ihn zu überzeugen sucht an seine persönliche Wichtigkeit glauben, das ist für ihn ein Grund mehr, sich ablehnend zu zeigen. Wer sich weder durch Worte noch durch Taten überzeugen lässt, muss sich der Prüfung des Unglaubens unterziehen. Man muss es der Vorsehung überlassen, günstigere Umstände für ihn herbeizuführen. Viele Leute wünschen aufgeklärt zu werden, warum eure Zeit mit jenen zu verlieren, die sie zurückweisen. Wendet euch daher an Menschen von gutem Willen, deren Zahl viel größer ist, als man glaubt, und wenn sich ihr Beispiel vervielfältigen wird, so wird es den Widerstand mehr als die bloßen Worte besiegen. Der wahre Spiritist wird es nie unterlassen, wohltätig zu sein, betrübte Herzen zu erleichtern, ihnen Trost zu spenden, die Verzweifelten zu beruhigen, moralische Erneuerungen zu vollbringen, das ist eben seine Mission und darin findet er seine Befriedigung. Der Spiritismus ist in der Luft; er verbreitet sich durch die Kraft der Tatsachen und macht alle glücklich, die sich dazu bekennen. Wenn seine systematischen Gegner ihn anwachsen sehen und zwar selbst bei ihren Freunden, dann werden sie ihre Abgeschiedenheit begreifen und werden gezwungen sein, entweder zu schweigen oder sich zu ergeben.

31. Um in dem Unterricht des Spiritismus so vorzugehen, wie man es bei den anderen Wissenschaften tun würde, müsste man die ganze Reihe der Erscheinungen, die man hervorzubringen vermag, vom einfachsten angefangen bis zum schwierigsten, nach und nach zeigen. Aber das kann nicht sein. Denn es ist unmöglich, einen experimentalen Kursus des Spiritismus zu lehren, wie es bei der Physik und Chemie geschieht. Bei den Naturwissenschaften hat man es mit den Rohstoffen zu tun, behandelt sie nach Willkür und ist fast immer gewiss, ihre Wirkungen lenken zu können; bei dem Spiritismus aber hat man es mit Intelligenzen zu tun, die ihren freien Willen haben, und die uns alle Augenblicke beweisen, dass sie nicht unseren Launen unterworfen sind; man muss daher beobachten, den Erfolg abwarten und ihn bei seinem Eintreten benutzen. Auch sagen wir es aufrichtig, dass ein jeder, der sich schmeicheln würde, den Erfolg nach seinem Belieben hervorbringen zu können, entweder nur ein Ignorant oder ein Betrüger sein könne. Das ist der Grund, warum der wahre Spiritismus sich nie als ein Schauspiel zeigen oder die Bühne der Marktschreierei betreten wird. Es ist auch undenkbar zu glauben, dass die Geister nur darum erscheinen sollten, um sich zu zeigen, oder um sich der Erforschung wie Schaugegenstände preiszugeben. Die Phänomene könnten also dann fehlschlagen, wenn man sie benötigt, oder sie könnten sich in einer ganz anderen Reihenfolge darstellen, als man es wünschte. Setzen wir hinzu, dass zu ihrer Hervorbringung Personen, welche mit einer besonderen Anlage ausgerüstet sind, benötigt werden und dass diese Anlagen nach der Befähigung des Individuums ins Unendliche verschieden sind. Da es nun außerordentlich selten ist, dass dieselbe Person alle Fähigkeiten besitzt, so ist dies eine Schwierigkeit mehr, denn man müsste immer eine wahre Sammlung von Medien zur Verfügung haben, was doch nicht möglich ist.

Das Mittel, diesem Übelstand vorzubeugen, ist sehr einfach. Man muss mit der Theorie anfangen. Hier werden alle Erscheinungen anschaulich gemacht und erklärt. Man kann ihre Möglichkeit begreifen und die Bedingungen erkennen, unter denen man sie hervorbringen kann, und auch die Hindernisse, denen man begegnen kann. In welcher Ordnung sie sodann je nach den Umständen auftreten, so gibt es nichts mehr, was überraschen könnte.

Dieser Vorgang verschafft uns auch einen anderen Vorteil: er erspart nämlich demjenigen, der es unternehmen will, eine Menge von Enttäuschungen. Gegen die Schwierigkeiten gerüstet, kann er sich in Acht nehmen, und es vermeiden, auf eigene Kosten Erfahrungen zu sammeln.

Seit wir uns mit dem Spiritismus beschäftigen, wäre es schwer, die Anzahl Personen anzugeben, die zu uns gekommen sind, und wie viele wir unter diesen gesehen haben, die bei den offenkundigsten Tatsachen gleichgültig oder ungläubig geblieben sind und erst später nur durch eine wohlbegründete Erklärung zur Überzeugung gebracht wurden. Wie viele andere sind nach Überlegungen zur Überzeugung gebracht worden; wie viele sind endlich überzeugt worden, ohne etwas gesehen zu haben, nur dadurch, dass sie es begriffen haben! Wir reden aus Erfahrung. Die beste Methode, den Spiritismus zu lehren, ist, sich zuvor an den Verstand, dann erst an die Augen zu wenden.

Diese Methode werden wir bei unseren Lektionen befolgen, und wir können uns dazu nur Glück wünschen. *


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* Anmerkung von Allan Kardec: Unser theoretischer und praktischer Unterricht ist immer unentgeltlich.

32. Das vorhergehende Studium der Theorie hat noch einen anderen Vorteil, nämlich den, die Größe des Zieles und die Tragweite der Wissenschaft unmittelbar zu zeigen. Wer damit anfängt, einen sich drehenden oder klopfenden Tisch anzusehen, ist eher zum Lachen aufgelegt, weil er sich schwerlich denken kann, dass aus einem Tische eine die Menschheit erneuernde Lehre abstammen könne. Wir haben immer bemerkt, dass die, welche glauben, ohne zuvor etwas gesehen zu haben, nur darum nicht oberflächlich sind, weil sie gelesen und begriffen haben und daher am meisten überlegen. Sie halten sich mehr an die Sache als an die Form, für sie ist der philosophische Teil die Hauptsache, die eigentlich so genannten Phänomene sind eine Zugabe. Sie sagen: „Wenn es auch keine Phänomene gäbe, so würde dennoch die Philosophie bestehen, welche allein die unauflöslichen Probleme auflöst, die allein von der Vergangenheit und von der Zukunft des Menschen die vernünftigste Theorie aufstellt.“ Nun denn, sie ziehen eine Lehre, die alles aufklärt, einer solchen vor, die nichts oder schlecht aufklärt. Wer nachdenkt, der begreift recht wohl, dass man die Manifestationen weglassen könnte, und dass die Lehre dennoch bestehen würde. Die Manifestationen kommen nur, um dieselbe zu befestigen und zu bestärken; allein sie bilden nicht ihre wesentliche Grundlage. Der ernste Beobachter verschmäht sie nicht, im Gegenteil; aber er wartet günstige Umstände ab, die es ihmerlauben, davon Zeuge zu sein. Zum Beweise unserer Behauptung diene das, dass viele Personen von der Lehre einen Begriff hatten, bevor noch von den Manifestationen die Rede war, welche ihren Ideen nur eine Hülle, einen Sammelpunkt verlieh.

33. Übrigens wäre es nicht recht zu sagen, dass diejenigen, die mit der Theorie anfangen, an praktischen Beobachtungsgegenständen Mangel haben, sie haben im Gegenteil solche, die in ihren Augen weit mehr Gewicht haben müssen, als selbst solche, die man vor ihren Augen hervorbringen konnte, das sind die häufigen spontanen Manifestationen, von denen wir in den folgenden Kapiteln reden werden. Es gibt wenig Menschen, die davon wenigstens nicht vom Hörensagen Kenntnis hätten; viele haben sie an sich selbst erfahren, haben aber denselben nur eine geringe Aufmerksamkeit gewidmet. Die Theorie gibt ihnen die Aufklärung dazu und wir behaupten, dass diese Tatsachen ein großes Gewicht haben, weil sie sich auf unwiderlegliche Zeugnisse stützen, denn da kann man keine Vorbereitung noch ein Einverständnis voraussetzen. Wenn die hervorgerufenen Phänomene nicht beständen, so würden die spontanen dennoch bestehen; und es wäre schon viel, wenn der Spiritismus nur das zur Folge hätte, hiervon eine vernünftige Aufklärung zu geben. Die meisten von denen, die im Voraus lesen, behalten die Erinnerung an diese Tatsache und sie ist ihnen eine Bestätigung der Theorie.

34. Man würde sich über unsere Anschauungsweise sehr irren, wenn man annehmen wollte, dass wir anraten, die Tatsachen zu vernachlässigen; denn wir gelangten nur durch die Tatsachen zur Theorie. Es ist wahr, dass wir dazu eine beständige Arbeit von mehreren Jahren und Tausende von Beobachtungen gebracht haben; aber nachdem uns die Tatsachen Nutzen gebracht haben, und uns noch alle Tage dienen, wären wir mit uns selbst im Widerspruch, ihre Wichtigkeit zu bestreiten, besonders, wenn wir ein Buch schreiben, um sie allen bekannt zu machen. Wir sagen nur, dass sie ohne Unterweisung nicht genügen, die Überzeugung zu erzielen; dass ein vorausgehender Unterricht, der die Vorurteile beseitigt und zeigt, dass sie nichts Vernunftwidriges enthalten, uns zur Annahme derselben vorbereitet. Es ist wahr, dass unter zehn ganz neuen Personen, die einer experimentalen Sitzung beiwohnen, sie mag in den Augen der Anhänger noch so befriedigend sein, neun sein werden, die ohne Überzeugung weggehen und einige mehr ungläubig als zuvor, weil die Experimente ihrer Erwartung nicht entsprochen haben. Ganz anders wird es bei jenen sein, die durch einen vorausgegangenen Unterricht sich ein Urteil über den Verlauf einer spiritistischen Sitzung geben können. Für sie ist es ein Kontrollmittel: aber nichts überrascht sie, selbst das Misslingen nicht, denn sie wissen, unter welchen Bedingungen sich die Tatsachen darstellen und dass man nicht zu fragen braucht, was sie hervorbringen könne.

Ein vorausgehender sachlicher Unterricht setzt sie auch in den Stand, sich alle Anomalien aufzuklären und gestattet ihnen, darin eine Menge Details gewahr zu werden, oft sehr kleine Unterschiede, die für sie ebenso viele Mittel der Überzeugung sind, die aber dem unwissenden Beobachter in Sitzungen entgehen. Das ist der Grund, der uns veranlasst, zu unseren experimentalen Sitzungen nur jene Personen zuzulassen, welche hinlängliche Vorkenntnisse besitzen, um zu begreifen, was man da macht, überzeugt, dass andere ihre Zeit daselbst verlieren würden, oder Veranlassung wären, dass wir die unsere verlören.

35. Jenen, die sich diese Vorkenntnisse durch das Lesen unserer Werke erwerben wollen, raten wir, sie in folgender Ordnung zu lesen:

1) „Der Spiritismus in seinem einfachsten Ausdruck“
Diese Broschüre enthält nur dreißig Seiten und ist eine kurz gefasste Darstellung der Grundsätze der spiritistischen Lehre; ein allgemeiner Überblick, der gestattet, das ganze unter einem einge schränkten Rahmen zu umfassen. In wenigen Worten sieht man das Ziel und kann über seine Tragweite urteilen. Man findet darin überdies die Antwort auf die hauptsächlichsten Fragen und Einwendungen, welche Neulinge natürlich zu stellen geneigt sind. Diese erste Lektüre, die nur wenig Zeit in Anspruch nimmt, ist die Einführung, die ein weiteres Studium erleichtert.

2) „Das Buch der Geister”
Es enthält die ganze von den Geistwesen selbst diktierte Lehre mit ihrer gesamten Philosophie und allen moralischen Konsequenzen; das ist die Enthüllung der Bestimmung des Menschen, die Einweihung in die Natur der Geistwesen und in die Geheimnisse des Lebens nach dem Tod. Wenn man es liest, dann begreift man, dass der Spiritismus ein ernstes Ziel hat und nicht zum bloßen Zeitvertreib da ist.

3) „Das Buch der Medien”
Es ist bestimmt, die Manifestationen in der Praxis durch Angabe der geeignetsten Mittel zu lenken, um mit Geistwesen zu verkehren. Es ist ein Wegweiser teils für die Medien, teils für die Sitzungsteilnehmer und eine Ergänzung des Buches der Geister.

4) „Spiritistische Zeitschrift“ (Revue Spirite)
Dies ist eine Sammlung verschiedener theoretischer Erklärungen und Einzeltexte, welche die zwei vorhergenden Werken ergänzen, und gewissermassen ihre Anwendung davon darstellen. Man kann diese zwar gleichzeitig lesen, aber es wird viel vorteilhafter und verständlicher sein, sie erst nach dem Buch der Geister zu lesen.

Da ist das, was uns betrifft. Diejenigen, die alles in einer Wissenschaft kennen lernen wollen, müssen notwendigerweise alles lesen, was über diesen Gegenstand geschrieben worden ist; entweder alles oder wenigstens die Hauptsachen, und sie dürfen sich nicht auf einen einzigen Schriftsteller beschränken; sie müssen die Werke dafür und auch jene dagegen lesen, sowohl die Kritiken als auch die Lobreden der spiritistischen Lehre; sie müssen sich in die verschiedenen Systeme einweihen, um durch deren Vergleich urteilen zu können. In dieser Beziehung wird von uns kein Werk weder vergöttert noch bekrittelt, in der Absicht in keiner Einsicht auf die Meinung, die man sich bilden will, Einfluss zu nehmen. Indem wir unser Scherflein beitragen, stellen wir uns in die Linie der anderen Mitstreiter; es kommt uns nicht zu, zugleich Richter und Partei zu sein, und wir besitzen nicht die lächerliche Anmaßung, die einzigen Spender des Lichtes zu sein. Dem Leser kommt es zu, das Gute vom Bösen, das Wahre vom Falschen zu trennen.