DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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119. Kehren wir zu unserem Gegenstand zurück. Der Geist einer lebenden Person, wenn er vom Körper zeitweilig isoliert ist, kann ebenso erscheinen, wie der einer toten Person und kann allen Anschein der Wirklichkeit haben. Ja noch mehr, durch dieselben Ursachen, die wir erklärt haben, kann er eine vorübergehende Fühlbarkeit erlangen. Diese Erscheinung wird als Doppelleibigkeit bezeichnet und hat Anlass zu den Geschichten von Doppelgängern gegeben; das heißt von Individuen, deren gleichzeitige Gegenwart an zwei verschiedenen Orten konstatiert wurde. Hier folgen zwei Beispiele, nicht aus den Volkssagen, sondern aus der Kirchengeschichte geschöpft.


Der hl. Alfons de Liguori und der hl. Antonius von Padua Der heilige Alfons de Liguori und der heilige Antonius von Padua wurden vor der vorgeschriebenen Zeit kanonisiert, weil er sich gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten gezeigt hat, was für ein Wunder gehalten wurde.


Der heilige Antonius von Padua war in Italien und zu der Zeit, als er predigte, ging sein Vater, der in Lissabon war, eines Mordes beschuldigt zum Richtplatz. In diesem Moment erschien der heilige Antonius, bewies die Unschuld seines Vaters und machte den wahren Verbrecher namhaft, welchen später die Strafe erreichte. Es wurde bewiesen, dass der heilige Antonius zu jener Zeit Spanien nicht verlassen hatte.


Der heilige Alfons wurde von uns gerufen, und über die obigen Tatsachen befragt, und er gab die folgenden Antworten:


1) Kannst du uns die Erklärung dieser Erscheinung geben?
„Ja, wenn der Mensch durch seine Tugend vollkommen von der Materie befreit ist, wenn er seine Seele zu Gott erhoben hat, kann er zugleich an zwei Orten erscheinen. Der einverleibte Geist kann, wenn er es fühlt, dass der Schlaf kommt, Gott bitten, sich an einen Ort fern vom ruhenden Körper zu übertragen. Sein Geist oder seine Seele, wie ihr es nennen wollt, verlässt den Körper, gefolgt von einem Teil seines Perispirits und lässt ihn in einem dem Tod verwandten Zustand, denn es blieb im Körper ein Band, welches Perispirit und Seele an die Materie bindet, und dieses Band kann nicht definiert werden. Der Körper erscheint nun an dem gewünschten Ort. Ich glaube, das ist alles, was ihr wissen wollt.”


2) Dieses gibt uns keine Aufklärung über das Sichtbarwerden und die Fühlbarkeit des Perispirits.
„Wenn der Geist sich von der Materie befreit hat und in höhere Grade der jenseitigen Welt aufrückt, kann er sich der Materie sichtbar machen.”


3) Ist der Schlaf des Körpers unerlässlich, damit der Geist an einem anderen Ort erscheint?
„Die Seele kann sich teilen, wenn sie sich an einen anderen Ort getragen fühlt, als wo der Körper sich befindet. Es kann geschehen, dass der Körper nicht schläft, obgleich das sehr selten geschieht, aber dann ist der Körper nie in einem vollkommen normalen Wachzustand, er ist dann immer in einem mehr oder weniger ekstatischen Zustand.”


Anmerkung. Die Seele teilt sich nicht im strengen Sinne des Wortes: sie strahlt nach verschiedenen Seiten, und kann sich auf diese Art an verschiedenen Orten manifestieren, ohne sich zu teilen. Es ist wie bei einem Licht, das sich an mehreren Spiegeln bricht.


4) Was würde mit einem in Schlaf versunkenen Mensch geschehen, wenn er, während sein Geist sich anderwärts beschäftigt, plötzlich geweckt werden würde?
„Das kann nicht geschehen, denn wenn jemand die Absicht hätte, ihn zu wecken, so würde der Geist in den Körper zurückehren und diesem Vorhaben zuvorkommen, da ja der Geist in den Gedanken liest.”


Anmerkung: Eine ganz gleiche Erklärung ist uns durch den Geist verstorbener oder lebender Personen mehrmals gegeben worden. Der heilige Alfons erklärt die Tatsche der doppelten Anwesenheit, aber nicht die Theorie des Sichtbarwerdens und der Fühlbarkeit der Geister.