DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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112. Die Ursache der Träume ist noch nie durch die Wissenschaft erklärt worden. Sie schreibt sie einer Wirkung der Einbildungskraft zu; aber sie sagt uns nicht, was die Einbildungskraft ist, noch wie sie diese so klaren, so deutlichen Bilder, die uns manchmal erscheinen, hervorbringt. Das heißt eine Sache, welche unbekannt ist, durch eine andere erklären, die es nicht weniger ist. Die Frage bleibt also voll und ganz bestehen. Man sagt, das ist die Erinnerung an die Sorgen des Vortages, aber selbst wenn dies zuträfe, genügt es nicht, es bliebe herauszufinden, welcher der Zauberspiegel ist, der so treu den Eindruck der Sachen behält? Wie sollte man insbesondere die Vision reeller Dinge erklären, die man nie im wachen Zustand gesehen und an die man nicht einmal gedacht hat? Der Spiritismus allein konnte uns zu diesem sonderbaren Phänomen den Schlüssel geben, welches unbeachtet vorübergeht, gerade wegen seiner Allgemeinheit so wie alle Wunder der Natur, die wir mit Füßen treten.


Die Gelehrten haben es verschmäht, sich mit den Halluzinationen zu beschäftigen; ob sie wirklich bestehen oder nicht, sie sind nichtsdestoweniger ein Phänomen, welches die Physiologie imstande sein muss aufzuklären, weil sie sonst ihr Unvermögen gestehen würde. Wenn es eines Tages ein Gelehrter unternimmt, nicht etwa eine Definition, verstehen wir uns richtig, sondern eine physiologische Erklärung davon zu geben, so werden wir sehen, ob diese Theorie alle Fälle aufklärt, ob sie nicht insbesondere die so allgemeinen Tatsachen der Erscheinungen von Personen im Moment ihres Dahinsterbens weglässt. Sie soll sagen, woher das Zusammentreffen der Erscheinung mit dem Tod der Person kommt. Wenn das ein vereinzelter Fall wäre, so könnte man ihn dem Zufall zuschreiben, aber da es sehr häufig geschieht, so hat der Zufall keine solche Wiederkehr. Wenn noch derjenige, der die Erscheinung sieht, von dem Gedanken befallen wäre, dass die Person sterben müsse, so ginge es noch an; aber die erscheinende Person ist am häufigsten eine, an welche man am wenigsten denkt; da ist also die Einbildungskraft zunichte. Man kann noch weniger durch die Einbildungskraft die Umstände des Todes erklären, von dem man keine Idee hat.


Werden die Halluzinationisten sagen, dass die Seele (wenn sie an eine Seele glauben) Momente der Überreizung habe, wo ihre Fähigkeiten erhöht sind? Wir sind damit einverstanden; wenn aber das, was sie sieht, wirklich besteht, so ist es keine Illusion. Wenn die Seele in ihrer Exaltation etwas sieht, was nicht gegenwärtig ist, so ist es darum, weil sie sich überträgt; wenn aber unsere Seele sich zu einer abwesenden Person übertragen kann, warum sollte sich die Seele dieser Person nicht auch zu uns übertragen? Mögen sie in der Theorie der Halluzination dieser Tatsache Rechnung tragen und nicht vergessen, dass eine Theorie, welcher man konträre Fälle entgegensetzen kann, notwendigerweise falsch oder unvollständig sein muss. In der Erwartung einer Erklärung werden wir indessen versuchen einige Erläuterungen über diesen Gegenstand zu geben.